Ich war Staatsfeind Nr. 1
Wolfgang Welsch hat für seine Überzeugungen sieben Jahre seiner Jugend wortwörtlich hingegeben:
Statt nach drei schrecklichen Jahren in Stasi-Knästen auszureisen (er
ist bereits vom Westen freigekauft!), bleibt er in der DDR -- um einen
entlarvenden Film zu drehen. Als Leser steht einem schier das Herz
still: Wer wäre nicht bis ans Ende der Welt gerannt, um aus diesem
Folter-Reich zu entkommen?
Er ist nicht lange draußen. Jahre im
Zuchthaus Brandenburg folgen bis zur Abschiebung in den Westen 1971 auf
Initiative von Willy Brandt. Bei der Schilderung des Haftalltags, der
Gerichtspraxis und der Verhörmethoden steht Welschs Buch lediglich in
einer Reihe mit Berichten anderer Zeitzeugen. Wesentlich seltener zu
lesen sind jedoch Berichte über die linke Atmosphäre der 70er
Jahre in der Bundesrepublik. Von Opfern des DDR-Systems will man zu
jener Zeit nichts mehr hören. Welsch wird während des Studiums von DKP
Professoren schikaniert. Einzigartig aber ist das Buch als authentischer
Bericht eines der erfolgreichsten Fluchthelfers (der spannendste Teil).
Die Stasi jagt ihn mit Killerkommandos. Nur mit unglaublichem Glück
überlebt er und das gleich drei Mal! Die Geschichte selbst hat für die
Pointe gesorgt: Nach 1990 setzt Welsch die Strafverfolgung der Mörder
durch. Der unmittelbare Täter wird verurteilt, der Führungsoffizier
erhängt sich in der Zelle.
Es gibt Stellen im Buch, da wankt der
Boden und die seelischen Kosten werden sichtbar, die ein Leben im Dienst
einer Moral, eines Gedankens, einer Besessenheit mit sich bringt. Da
wird der Text selbstgerecht im Ton und verliert an Glaubwürdigkeit. Die
Lebensleistung des Verfassers mindert das nicht und auch nicht die
Faszination des Berichtes. --Michael Winteroll
--
(Copyright Artikel Amazon: http://www.amazon.de/Ich-war-Staatsfeind-Nr-Fluchthelfer/dp/3492261671/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1361108667&sr=8-1)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.